Die ersten 100 Tage sind entscheidend

Warum ein klares Profil und eine klare Positionierung schon vor dem ersten Tag wichtig sind

Die ersten 100 Tage im neuen Job sind entscheidend – klar. Aber vergessen Sie die Zeit davor nicht. Denn das Spiel geht schon vor dem offiziellen Start los. Auch wenn noch Wochen bis zum Ihrem persönlichen “Tag eins“ vergehen, sollten Sie lieber klären, wie Ihr neues Umfeld in der Zwischenzeit eigentlich auf Sie vorbereitet wird.

Egal ob Quereinsteiger oder Seiteneinsteiger: die ersten Tage im neuen Job sind spannend und stressig. Neue Gesichter, Namen, Strukturen, Abläufe und Aufgaben. Wenn man den Ergebnissen der Jobstress-Forschung trauen darf, ist der Start an einem neuen Arbeitsplatz immer ein krisenhaftes Ereignis. Unabhängig von Ihrer neuen Funktion und Position kennen Sie ja weder die tatsächlichen fachlichen Anforderungen noch die kompletten Rollenerwartungen. An die Organisationkultur, die informellen Strukturen oder die mikropolitische Interessenlage gar nicht zu denken. Eine Fülle von Ratgebern geht auf die damit verbundenen Vorahnungen und Verunsicherungen ein. Hier werden „Überlebenstipps für die ersten 100 Tage“ gegeben oder Ratschläge erteilt, wie Sie Ihre „Probezeit mit Bravour meistern“.

Das neue Spiel geht schon vor dem Anpfiff los

Das Unbekannte in Kombination mit den eigenen hohen Selbsterwartungen verunsichert. Und Sie ahnen: Die neuen Mitarbeiter, Kollegen und Chefs werden Sie auf Schritt und Tritt beobachten. Ihnen geht es zunächst darum, sich schnell ein klares Bild von Ihnen als dem neuen Chef zu verschaffen. Dazu werden die über Sie erhältlichen Vorinformationen dann ausgetauscht und informell bewertet – aber nicht vor einem neutralen Hintergrund, sondern mit den aus der Organisation und den individuellen Vorstellungen erwachsenden Vorstellungen des „Idealchefs“. Das heißt: Das Beobachtungs- und Bewertungsspiel läuft schon, bevor Sie überhaupt angefangen haben.

Daher reicht es nicht, sich allein auf die Tage eins bis hundert zu konzentrieren. Zwar können Sie auf die mit der Organisation zusammenhängenden Vor-Prägungen Ihrer künftigen Mitarbeiter und Kollegen erst ab dem ersten Tag direkt eingehen. Die Erwartungen, die an Sie aber aufgrund meist informeller und unvollständiger Vorinformationen gestellt werden, können Sie jedoch schon zuvor aktiv managen – im Einstellungsgespräch, in ersten geplanten Begegnungen mit dem zukünftigen Team oder in Ihren sozialen Profilen. Die ersten 100 Tage im neuen Job sind sicherlich entscheidend. Aber ein klares Profil und eine klare Positionierung spielen schon vor dem ersten Tag die zentrale Rolle

Eigenes Profil und eigene Positionierung kommunizieren

Als Führungskraft sollten Sie sich daher vor Antritt Ihrer neuen Position mit den damit verbundenen spezifischen Chancen und Risiken befassen. Anhand von Merkmalen wie dem Rekrutierungsweg (intern oder externe Besetzung?), Ihrem Auftrag (laufende Erfolge sichern und steigern oder Restrukturieren und Sanieren?), der formalen Ebene oder der Ausgangs- und Vorgängersituation können Sie viele der auf Sie projizierten Erwartungen vorwegnehmen. Auf dieser Grundlage sollten Sie Ihr Profil und Ihre Positionierung formulieren und vereinbaren, dass das die offiziellen internen Kommunikationsinhalte sind. Falls bei der Einstellung noch Unklarheiten bestanden, können die jetzt noch relativ problemlos ausgeräumt werden. Ein Coaching vor dem Start der berühmten 100 Tage ist hierbei sicherlich eine gute Unterstützung.

Vorsicht Klischeefallen!

Darüber hinaus sollten Sie die Wirkung einiger oftmals unterschätzter und zufälliger Nebensignale beachten, die das „Spiel vor dem Anpfiff“ stark beeinflussen können. Aus Gesprächen mit „Neuen“ habe ich hier eine Hitliste der häufigsten Rollen und Eigenschaften zusammengestellt, die Führungskräften schon vor ihrem Antritt gerne zugschrieben werden. Wer mit so einem „Stempel“ einsteigt, hat es schwerer, seiner eigentliche Rolle zu spielen und in der neuen Position erfolgreich anzukommen. Hier meine nur leicht überzeichnete Typologie der Klischeefallen.

Trifft sich nach Bekanntwerden seiner Einstellung und vor offiziellem Start wiederholte allein mit dem Chef in der Firma. Am besten am Abend oder am Wochenende – wenn also jeder, der das zufällig mitbekommt, unterstellt, dass die Treffen eigentlich verheimlicht werden sollen. Mitarbeiter und Kollegen sehen da einen Unbekannten in ihrem angestammten Revier herumgeistern und bekommen viel Stoff für Spekulationen. Gerade in den ersten wichtigen Tagen wird mit Ihnen dann kaum jemand reden wollen. Denn – wer spricht schon gerne mit einem Phantom? Wenn es schon sein muss, die Termine wenigstens so legen, dass Sie gesehen werden. Dann haben sie zumindest die Chance, einfach einen netten Eindruck zu hinterlassen.
Über seine Aufgaben, Kompetenzen und Fähigkeiten wird nichts Genaues gesagt. Möglicherweise ist ihm selbst und auch dem einstellenden Chef die zukünftige Rolle ganz unklar. Die einzigen Punkte die schon vor dem ersten Tag feststehen sind a) er wurde eingestellt und b) er wird alles besser machen. Hat gute Aussichten, gleichgestellte Kollegen dadurch gegen sich aufzubringen, dass er sie als Mitarbeiter behandelt. Wird auf alte Projekte ohne Erfolgsaussichten angesetzt, weil Schadenfreude auch zerstrittene Kollegen eint. Im Bewerbungsgespräch wirklich genau klären, wie Ihr zukünftiges Umfeld organisiert ist. Nicht erst am Tag eins feststellen, dass Sie der Vorgesetzte eines Ein-Mann-Teams sind.
Wird schon vor seinem ersten Arbeitstag als einzig legitimer Nachfolger durch den bisherigen Chef aufgebau(scht)t. Das regt bei den zukünftigen Kollegen und Mitarbeitern die Phantasie an, welche besonders vertrackten und heißen Themen man ihm wohl zuerst geben kann. Hat schon in den ersten Tagen beste Chancen, sich direkt zu verbrennen. Steht als Kronprinz zunächst aber noch unter hochherrschaftlichem Schutz – bis er es entweder packt oder seine Koffer packen muss. Wenn Sie schon erfolgreich auf das Kompetenzprofil „Klon des alten Chefs“ passen, dann haben Sie gute Chancen, ihm verständlich zu machen, dass Sie mehr von Taten als von Worten halten. Das ist Old-School und wird sicherlich verstanden.
Erfreut sich zunächst daran, dass er für das ihm zugeteilte Büro neue Möbel bestellen darf und der neue Dienstwagen auch rechtzeitig zum ersten Tag ausgeliefert wird. Und der Parkplatz vor der Tür ist plötzlich auch mit einem „Reserviert für…“ Schild ausgestattet. Neid und Missgunst aller Kollegen, denen jemals ein Wunsch abgeschlagen wurde, sind ihm sicher. Muss geschäftlich unglaublich erfolgreich sein, um jemals anerkannt zu werden. Auch wenn es verführerisch ist – halten Sie sich auf dieser sichtbaren und symbolischen Ebene lieber zurück.
Hat den offiziellen Informationen zufolge immer schon umfangreichste Schlüsselprojekte in den angesagtesten Unternehmen verantwortlich und erfolgreich geleitet. Wird dadurch endlich die langersehnte Professionalisierung in seiner neuen Funktion vorantreiben. Wird ab dem Zeitpunkt bereits beschädigt sein, wenn die künftigen Kollegen das tun, was Personalverantwortliche immer noch zu selten machen: sich in der Branche umhören, einfach mal googeln und soziale Profile checken. Eine gute Selbstdarstellung gehört zu einer erfolgreichen Bewerbung und auch zum Geschäft. Als Profi sollten Sie aber auch die Grenzen und Fallgruben kennen.

 

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