Geld ist eine Form der Wertschätzung

Was es eigentlich braucht, um Mitarbeiter-Engagement zu erhalten

Geld ist eine Form der Wertschätzung – aber eben nur eine. Die Gleichung „individueller Bonus = höhere Mitarbeitermotivation = bessere Geschäftsergebnisse = gesteigerter Unternehmenswert“ gehört bislang zu den scheinbar ewig gültigen Management-Grundsätzen. Zweifel aufgrund persönlicher Überlegungen (hat Ihr letzter Bonus Sie motiviert, sich noch mehr einzusetzen?), wiederholter Alltagsbeobachtungen (haben Bonus-Exzesse dem Wert vieler Banken nicht eher geschadet?) oder motivations-wissenschaftlicher Forschungsergebnissen wurden in Unternehmen lange Zeit ignoriert.

Abkehr von individuellen Leistungsboni bei Bosch

In einem Interview mit der F.A.S. vom 20. September 2015 rückt Bosch-Chef Volkmar Denner von der bisherigen Bonuspraxis des Unternehmens ab, die sich an individuellen Zielen und deren Erfüllung orientiert. Der zukünftige Ansatz nimmt demnach das Gesamtergebnis des Konzerns als Maßstab. Ziel sei es, die Zusammenarbeit über die Bereich hinweg zu fördern und den Erfolg des Gesamtunternehmens in den Vordergrund zu stellen. Die Reaktionen in den Kommentaren zeigen – der Schritt wird von etlichen Lesern als Revolution wahrgenommen, auch wenn die motivationstheoretischen Grundlagen der Entscheidung schon jahrzehntelang bekannt sind.

Denn der Konzern setzt lediglich als einer der ersten deutschen Großunternehmen Prinzipien um, die beispielsweise Reinhard K.Sprenger schon vor 20 Jahren in seinem Klassiker „Mythos Motivation“ dargestellt hat. Demzufolge ist „Motivation“ die vorhanden Lust der Mitarbeiter an der Arbeit. „Motivierung“ hingegen ist Teil eines weit verbreiteten Führungsverständnisses, das meint, Mitarbeiter mit trickreichen Systemen und Techniken künstlich antreiben zu müssen. Individuell bemessene Boni gehören dazu. Sie sind für Sprenger aber nur Ausdruck einer das Engagement lähmenden Misstrauenskultur, die Mitarbeiter verdächtig, aus freien Stücken keinesfalls ihre ganze Leistung zu geben. Eine sich selbst erfüllende Annahme, die Arbeitslust und Kooperationsfähigkeit schließlich wirksam sabotiert.

Es ist widersinnig, bei Motivation zunächst an Geld zu denken

Eine Vielfalt wissenschaftlicher Literatur belegt, dass beispielsweise Aufmerksamkeit, Feedback, Wertschätzung, individuelle Förderung oder Entwicklungschancen zentrale Faktoren sind, die Engagement – also die Lust sich für seine Arbeit einzusetzen – erhalten. Das haben Margit Osterloh und Bruno Frey bereits im Jahr 2000 in ihrer umfangreichen Arbeit zu Motivation und Vertrauen in Organisationen erforscht. Diese und andere Studien zeigen: ohne die oben genannten zwischenmenschlichen Faktoren werden Gehalt und Bonus eher als Schmerzensgeld denn als Motivation zur Leistung erlebt.

Wem diese Lektürevorschläge zu lang sind, dem sei das brand eins Heft „Mythos Leistung“ aus dem September 2008 und besonders der Beitrag „Das Lohn-Dilemma“ empfohlen. Und wem selbst das noch zu lang ist, der sollte zumindest einen ebenfalls schon einige Jahre alten Beitrag aus der SZ lesen. Der bringt den Widersinn, bei Motivation zunächst und hauptsächlich an Geld zu denken auf den Punkt: “Geld macht faul”.

Das Geld muss stimmen. Die Führungsqualität ist letzendlich entscheidend

Die Erkenntnis, dass keine simple Beziehung von Geld und Leistung gibt, enthebt das Management natürlich nicht der Aufgabe, die Bezahlung in ihrem Unternehmen angemessen und zufriedenstellend zu gestalten. Wer meint, die intrinsiche Motivation der Mitarbeiter für schlichtes Kostensparen instrumentalisieren zu können, unterschätzt erneut die Billianz der Leute, die genau dafür eingestellt wurden. Denn eins ist klar: Das Geld muss stimmen in Bezug auf die Tätigkeit, die Unternehmensgröße, die Branche, die finanzielle Perfomance des Unternehmens und das wirtschaftliche Umfeld. Aber die Führungsqualität ist letztendlich entscheidend dafür, dass Mitarbeiter nicht demotiviert werden und ihre Eigenmotivation und Leistungsbereitschaft erhalten bleibt. Der neue Ansatz bei Bosch vermeidet vor allem den Kardinalfehler, Arbeitsbeziehungen auf ein rein materielles Austauschverhältnis zu reduzieren – Geld gegen Leistung, mehr Leistung gegen mehr Geld. Mit Margit Osterloh zu sprechen: “Institutionen können sich selbsterfüllende Prophezeiungen in Gang setzen. Wenn Mitarbeiter so behandelt werden, als ob sie nur dann einen Finger krumm machten, wenn andernfalls einen Strafe droht – dann verhalten sie sich auf lange Sicht dementsprechend. Leistungsorientierte Bezahlung kann zum Rückgang von Leistung führen.” Bosch will nach Aussage von Volkmar Denners Spitzenleistungen – mit der Abschaffung individueller Boni hat das Management zunächst einmal einen großen Stolperstein aus dem Weg geräumt.

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